Was hat Open Source und Datenschutz mit Nachhaltigkeit zu tun? Und was mit nachhaltigem Grafikdesign? Ich werde etwas ausholen müssen…
…und ich gebe es zu: das hier werden wahrscheinlich nur die Hardcore-Fans bis zu Letzt lesen. Das Thema Datenschutz und Open Source ist einfach zu wenig cool, zu anstrengend, zu „ich kann ja eh nichts tun“ (dem würde ich vehement widersprechen), sodass es den Grossteil der Menschheit nicht interessiert, was Facebook, Whatsapp, Google und Co mit ihren Daten anstellen.
Aber du scheinst mir nerdig genug zu sein. Hüpfhüpfhurra.
Für mich gehört das Thema Open Source nämlich definitiv auch zu nachhaltigem Grafikdesign. Nicht nur, woher ich den Strom bekomme und wo ich drucken lasse, spielt eine Rolle, sondern eben auch, womit ich den grössten Teil meiner Arbeit erledige: Den Grafikdesign-Programmen.
Bevor ich hier loslege, ein kleiner Überblick, was da alles auf dich zukommt, wenn du dich tatsächlich entscheidest, meinem Gekritzel weiter zu folgen… (was ich dir natürlich sehr ans Herz lege).
Was hat Datenschutz mit Open Source Programmen zu tun?
Es gibt wohl kaum mehr Menschen, von denen nicht irgendwo riesige Mengen Daten gespeichert sind. Egal, ob von der Kamera im Zug gefilmt, beim Surfen im Internet getrackt oder auf dem neusten Selfie einer Bekannten auf Social Media getaggt – es scheint, als ob wir das Thema Datenschutz gleich lassen können.
Die Frage ist aber, wohin gehen diese Daten und wer nutzt sie wie. Viele der häufig genutzten Apps und Dienstleistungen sammeln unsere Daten, ohne dass wir etwas davon merken (mit dem Cookie-Banner werden wir immerhin nervig daran erinnert). Diese können verkauft, von Regierungen eingesehen oder von Hackern geklaut und weiterverkauft werden. Sehr persönliche Daten wie Gesichter auf Fotos oder Audioaufnahmen können dann von Betrügern für Deepfakes genutzt werden.
Hast du dir schonmal überlegt, warum es so viele Gratis-Apps gibt? Wie verdienen die ihr Geld, wenn alles kostenlos ist? Indem sie mit den Daten Handel betreiben. Mit deinen Daten. Keine schöne Sache. Und selbst bei vielen kostenpflichtigen Angeboten, ist die Datenschutzlage zumindest unklar. Die gute Nachricht: Wenn du jetzt auch ein flaues Gefühl im Magen hast und leicht panisch denkst, dass du eh nichts tun kannst: Es gibt viiiiiele tolle Alternativen 🙂
Open Source heisst vereinfacht gesagt, dass du den Quellcode einsehen und damit selber schauen kannst, welche Daten gesammelt und wohin weitergeleitet werden. Wenn es sich zudem um Freie und Open Source Software (engl. Free and Open Source Software, FOSS) handelt, könntest du sogar selber den Datensammelteil aus einer Software entfernen und sie so datenschutzfreundlicher machen. Soweit die Theorie… Natürlich besitzt nicht jede:r die Fähigkeiten dies auch wirklich zu tun. Aber es gibt auf der Welt doch viele, die das können und auch tun: die Open Source Community. Als Laie braucht es dann natürlich Vertrauen in diese Community, aber diese setzt sich aus vielen, voneinander mehr oder weniger unabhängigen Menschen zusammen. Bei proprietärer Software (also nicht Open Source) gibt es meist nur die Aussage des jeweiligen Software-Herstellers, dass alles mit rechten Dingen zugehe.
Was hat Open Source mit Nachhaltigkeit zu tun?
Fangen wir mal mit der sozialen Nachhaltigkeit an. Frei zugängliche Software macht es auch mit einem kleineren Geldbeutel möglich, am digitalen Leben teilzunehmen. Und bei datenschutzfreundlicher Open-Source-Software dann auch ohne den Zwang mit seinen Nutzerdaten zu zahlen. Ausserdem kann auch jede:r etwas zu der Entwicklung beitragen, ganz unabhängig von der Schulbildung, einem Studium oder sonstigen kostenpflichtigen Zertifikaten. Vieles lässt sich im Selbststudium erlernen, Feedback über die Qualität gibt es von der Community, und so kann es den möglichen Berufseinstieg erleichtern.
Viele Open Source Projekte sind nicht primär getrieben von hohen Renditeerwartung grosser Konzerne oder sonstiger Investoren. Vielfach wird dadurch auch kein grosser Gewinn abgeschöpft, wodurch sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter öffnet.
Auch aus ökologischer Sicht kann Open Source Software in vielerlei Hinsicht punkten. So kann ein frei zugänglicher Quellcode viel länger aktualisiert werden, als es üblicherweise für ein Unternehmen rentabel ist. Wenn sich die Community darum kümmert. Und mit aktueller Software, die vor allem auch immer wieder Sicherheitsupdates bekommt, lässt sich Hardware viel länger nutzen. Dadurch entsteht dann weniger Elektroschrott.
So können wir zum Beispiel einen alten Lenovo Laptop von 2010 heute noch mit dem neusten Debian 12 Betriebssystem nutzen. Windows 11 würde darauf sicher nicht mehr laufen. Auch ein altes Samsung Smartphone von 2014 kann mit einem relativ aktuellen Betriebssystem mit Android 9 immer noch mit den meisten Apps genutzt werden. Vom Hersteller gibt es nur Android 6 mit den letzten Sicherheitsupdates aus dem Jahre 2020.
Ein Studie zeigt auch auf, dass ein Open Source Wordprogramm deutlich weniger Strom in der Anwendung braucht als ein proprietäres Wordprogramm. In einem Standardtest hatte dort das proprietäre Wordprogramm 4-mal so viel Energie gebraucht, wie die Open-Source-Alternative. Insbesondere fragwürdig ist der Energieverbrauch, der beim proprietären Programm nach Abschluss des eigentlichen Tests noch anfällt…
Und so kommen wir auch direkt zur ökonomischen Nachhaltigkeit. Denn der höhere Energieverbrauch ist natürlich nicht nur aus ökologischer Sicht nachteilig, sondern zeigt sich auch bei der nächsten Stromrechnung. Zudem entfallen bei Freier und Open Source Software ja die Lizenzkosten, was es in der Anschaffung und im Betrieb günstiger macht.
Ein weiterer Punkt ist der sogenannte Vendor Lock-In. Einfach gesagt heisst das, dass Software-Hersteller es den Nutzer:innen schwer bis unmöglich machen ihre Daten zu exportieren und mit einem anderen Programm zu nutzen. Wer einmal versucht hat, die Notizen aus OneNote in einer anderen Notizen-App weiterzuverwenden, weiss, was ich meine… Open Source Software nutzt hier meist offene Datenstandards, sodass ein Wechsel einfach ist. Besonders heikel wird der Vendor Lock-In dann, wenn ein Software-Unternehmen pleite geht oder übernommen wird und es die App einfach nicht mehr gibt.
Wie finanzieren sich denn nun Open Source Projekte
Dass eine Open Source Software nicht mehr weiter gepflegt wird, ist natürlich ebenso möglich. Tatsächlich ist dies in der Open Source Studie der Uni Bern von 2021 als der wichtigste Grund genannt, warum Unternehmen wenig Open Source Software nutzen. Letztlich müssen ja auch hier die Zeit der Entwickler:innen, die IT-Hardware, der Betrieb von Servern usw. gezahlt sein. Damit diese Kosten auch langfristig gedeckt sind, muss ein passendes Geschäftsmodell oder eine andere Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden.
So bieten beispielsweise einige Open-Source-Software-Hersteller Service-Verträge und Schulungen für Unternehmen an. Wenn ein Unternehmen also z.B. das Betriebssystem Ubuntu oder die Cloud-Lösung Nextcloud nutzen möchte, dann kann es kostenpflichtige Unterstützungsangebote annehmen und so auch die weitere Finanzierung fördern. Das ist eines der beliebtesten und derzeit auch erfolgreichsten Geschäftsmodelle für Open Source Software.
Auch möglich ist, dass ein Unternehmen die Nutzung der Software auf ihrem Server gegen Bezahlung anbietet. Das nennt man Software-as-a-Service, kurz SaaS. So macht es zum Beispiel Wordpress: auf der einen Seite können Nutzer:innen die Software selber hosten, wodurch Wordpress kein Geld einnimmt. Auf der anderen Seite kann Wordpress aber auch direkt genutzt werden, ohne einen eigenen Webhoster zu benötigen. Hier gibt es dann auch zwei verschiedene Webseiten: https://Wordpress.org/ und https://Wordpress.com/de/.
Ein anderer Weg ist, dass sich Unternehmen, die Open Source Software nutzen, direkt an der Entwicklung beteiligen. Das heisst, ein:e Entwickler:in nutzt beispielsweise das Vektorzeichenprogramm Inkscape und benötigt aber eine Zusatzfunktion, die noch nicht implementiert ist, oder auch einen neuen Button oder ein Template. Dann kann diese:r die Funktion entwickeln, sie an die Hauptentwickler:innen von Inkscape zurückgeben und so das Programm für alle erweitern und verbessern. Einige Entwickler:innen tun dies übrigens auch unbezahlt in ihrer Freizeit.
Und dann gibt es noch Stiftungen und Vereine, die Spenden sammeln, um eine Software-Entwicklung zu finanzieren. Ganz bekannt ist da beispielsweise die Mozilla Foundation, die die Entwicklung des Browsers Firefox finanziert. Oder aber man kann direkt an die Entwickler:innen von diversen Open-Source-Projekten spenden, z.B. über die Plattform Liberapay.
Wie du siehst, auch Open Source Software braucht Geld für die Entwicklung. Deswegen ist es wichtig, dass du die Programme nicht nur wegen des offenen Quellcodes schätzt, sondern deine Dankbarkeit wenn es geht auch mit einer Spende zeigst.
Du willst wissen, wie ich das so halte?
Ich spende jährlich 1.25 % von meinen Einnahmen an die verschiedenen Programme, ungefähr so verteilt, in welcher Häufigkeit ich sie nutze.
Warum ich nicht die Adobe Cloud nutze
Für Grafikdesigner:innen ist die Adobe Cloud derzeit die Standardlösung. Aber die in der Adobe Cloud gespeicherten Inhalten werden standardmässig beispielsweise zum Training von KI und Algorithmen verwendet. (Was es nicht besser macht: es werden auch sonst einfach Fotos und Texte von irgendwelchen Unternehmen verwendet und der KI gefüttert, obwohl irgendwo auf der Webseite steht, dass die Fotos durch Copyright geschützt sind.)
Zudem wird die Software immer teurer und teurer. So wurde zum Beispiel einfach die Pantone-Farbpalette entfernt, respektive für ein zusätzliches Abo wieder verkauft. Immer wieder erhöht Adobe seine Preise für die Abos (und zwar nicht um ein paar Cent, sondern 2019 zum Beispiel um ganze 10 Dollars!). Einmal kaufen und über Jahre nutzen ist lang vorbei. Wer auf die Software angewiesen ist – und das sind geschätzte 26 Millionen Kreative – müssen einfach mehr bezahlen.
Ich würde für die Cloud 61.40 CHF pro Monat zahlen. Knappe 700, wenn ich alles auf einmal zahle. Egal, wie viel ich mit Designen verdiene. Für die „Pantone-App“ dann nochmals rund 15 CHF extra pro Monat.
Die Open Source Programme sind meist kostenlos. Ich kann einen Prozentsatz festlegen, den ich von meinem Umsatz spende. Wenn ich viel verdiene, zahle ich mehr, wenn ich wenig verdiene, hab ich keine Fixkosten von über 700 CHF, sondern zahle dementsprechend weniger.
Obwohl ich auch schon in einer angestellten Tätigkeit mit Adobe gearbeitet habe (vorgegeben), nutze ich als Grafikdesignerin für Buchfink Design nichts davon. Auch im direkten Vergleich finde ich die Open Source Alternativen super. Die Programme sind sehr ähnlich aufgebaut und können fast das selbe. Ich hab meine gesamte Ausbildung und jegliche Aufträge bisher mit den unten genannten Programmen gemacht. OHNE Adobe!
Welche Open Source Programme ich für meine Grafikdesign-Selbständigkeit nutze
Folgend aufgelistet findest du alle Programme, die ich für mein nachhaltiges Grafikdesign Business nutze:
- Inkscape (Vektorzeichenprogramm)
- Scribus (Layoutprogramm)
- Font Forge (Schriftprogramm)
- Gimp (Fotobearbeitungsprogramm)
- Libre Office (Alternative zu Word, Excel etc.)
- Okular (PDF-Betrachter)
- Superproductivity (Produktivitäts- und To-Do-Tool)
- Thunderbird (Mailprogramm)
- Wordpress (Webseitenerstellung)
- Signal (Alternative zu Whatsapp)
- Firefox (Browser)
- Nextcloud (Cloud)
- kubuntu Linux (Betriebssystem)
Ganz offensichtlich nutze ich nicht alle zum designen. Aber vielleicht interessiert es dich ja auch, was ich sonst noch so nutze in meiner Selbständigkeit als nachhaltige Grafikdesignerin.
Du bist angefixt? Hier gibt’s weitere hilfreiche Links
- digitale Gesellschaft über Nachhaltigkeit
- KDE Handbook
- alternative to
- kuketz-blog
- Zero Waste im Internet von kuntergrün
PS: Alle Verlinkungen sind unbezahlte Werbung.